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AutorenbildKornelia Schmid

Fies, aber lustig – Wie man einprägsame Bösewichte erschafft

Die besten Bösewichte sind die, die eigentlich keine sind. Oder die es sehr wohl sind, aber sich nicht wie welche benehmen. Denn mal ehrlich: Braucht es immer einen Sadisten, um Böses zu tun? Das meiste Böse wird von ganz normalen Menschen verübt. Nur würden sie es kaum so nennen. Wie das in einem Roman aussehen kann, zeige ich hier.


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In Fantasyromanen, vor allem in der High Fantasy gibt es sie oft: Die Oberschurken, das personifizierte Böse, die finstere Bedrohung oder wie auch immer man diese Figuren nennen möchte. Sprich: Wir haben es mit Bösewichten zu tun, die die Macht haben, eine ganze Welt ins Chaos zu stürzen. Aber mal ehrlich: Ist euch Sauron aus "Herr der Ringe" wirklich im Gedächtnis geblieben? Eigentlich kann der doch nichts außer auf seinem Turm herumhängen und gucken. Da geht mehr!


Eine Frage der Perspektive


Was ist eigentlich böse? Wem es an Empathie fehlt, der muss deshalb noch nicht böse handeln. Auch wer rigoros seine egoistischen Interessen durchsetzt, agiert nicht automatisch böse. Das hängt ganz von den Interessen ab. Denn selbst wer hilfbereit und freundlich auftritt, tut dies womöglich aus ganz eigennützigen Gründen – zum Beispiel, um sich besser zu fühlen, um erhaben gegenüber anderen zu wirken. Bewerten wir Ich-Bezogenheit immer als böse? Nicht unbedingt. Und nicht umsonst heißt es, dass auch Menschen ohne Empathie sehr charmant sein können. Ab wann jemand zum Bösewicht wird, ist deshalb gar nicht so leicht zu beantworten. Vielleicht ist der Bösewicht gar nicht böse – seine Interessen kollidieren schlichtweg mit denen der Gegenseite. Und schreiben wir die Geschichte aus seiner Sicht, wäre die böse Partei eben die andere.


Einfach ein Psychopath?


Und genau deswegen macht man es sich zu leicht, die Antagonist:in einer Geschichte schlichtweg zur Psychopath:in oder Soziopath:in zu degradieren. Das ist letztlich recht fantasielos und deshalb oftmals langweilig. Vor allem wenn sich dahinter keine psychologisch ausgefeilte Charakterstudie über das Krankheitsbild verbirgt, gelangt man mit diesem Ansatz schnell zu einem Schwarz-Weiß-Denken und damit zu verminderter Komplexität. Die Geschichte soll aber gar nicht komplex sein, beispielsweise, weil sie sich an Kinder richtet? Dann gibt es womöglich gute Gründe für die Vereinfachung. Wer aber einen differenzierten Text schreiben will, der zur Interpretation, zum Nachdenken einlädt, sollte Schablonen nur einsetzen, um sie auseinanderzunehmen.


Das Konzept der bösen Psychopath:in hat aber noch ein weiteres Problem: Metzelt sich eine Figur durch die Geschichte und erfreut sich an Gewalt, dürfte das die meisten Leser:innen abstoßen. Sie empfinden Ekel und dieser wird zum Teil der Geschichte. Das kann natürlich gewollt sein. Autor:innen sollten sich aber bewusst sein, dass zu viel Ekel durchaus zum Abbruch des Lesens führen kann.


Eine tiefe Verwundung?


Wenn der Bösewicht keine Psychopath:in, Soziopath:in oder Sadist:in ist, wird gerne mal eine andere Schiene gefahren, um die schlimmen Taten zu rechtfertigen: Es liegt an der schlimmen Kindheit und den dramatischen Verwundungen der Vergangenheit. Brauchen Bösewichte also immer eine tragische Hintergrundgeschichte? Ist sie gut gemacht, kann sie funktionieren. In vielen Fällen ist die furchtbare Vergangenheit der Bösen aber ein Klischee, mit dem Autor:innen einer differenzierteren Beschäftigung mit der Persönlichkeit ihrer Antagonist:innen ausweichen. Diese Karte sollte deshalb nur gezogen werden, wenn sie gut durchdacht ist.


Freundlich und heiter


So viel dazu, wie man es besser nicht macht. Wie aber macht man es? Ein guter Kniff ist immer, die Erwartungen der Leser:innen zu brechen. Der Bösewicht ist böse, also muss er auch unsympathisch wirken, nicht wahr? Und sein Böse-Sein versaut ihm bestimmt auch sein Leben, weshalb er düster und grimmig auftritt. Nun, wenn wir zurückkehren zu meinen Eingangsüberlegungen zurückkehren, können wir uns die Frage stellen, wie viele Bösewichte denn tatsächlich wissen, dass sie böse sind. Und wenn sie es nicht wissen, warum sollten sie dann grimmig sein?


Ein freundlicher Bösewicht bleibt mehr im Gedächtnis als ein grimmiger. Bösewichte, die heiter sind, die Humor haben, die auch sympathische Eigenschaften aufweisen, sind interessant. Denn das erzeugt nicht nur ein Schmunzeln bei den Leser:innen, sondern erweckt ihre Empathie. Und wenn man verstehen und nachvollziehen kann, warum eine Figur so handelt, wie sie handelt, ist sie plötzlich viel tragischer als mit der großen tragischen Backgroundstory. Apropos: Welche Backgroundstorys ihr besser vermeidet, beschreibe ich hier: https://www.kornelia-schmid.de/post/die-fuenf-groessten-suenden-bei-der-backgroundstory.


Menschlichkeit und Fehler


Antagonist:innen stehen für die Bedrohung im Buch. Je größer die Bedrohung, desto eindringlicher der Text. Oder? Viele Autor:innen tendieren dazu, ihre Bösewichte übermäßig aufzublasen. Doch das perfekte Böse wirkt nur auf den ersten Blick dramatisch. Auf den zweiten ist es langweilig. Eine Antagonist:in, die auch menschliche Seiten hat, ist viel glaubhafter und das macht letztlich auch die Geschichte glaubhafter und dadurch intensiver. Ja, der Bösewicht darf ein übermäßig mächtiger Magier sein, aber vielleicht ist er auch schusselig. Vielleicht ist er ein Tollpatsch. Vielleicht mag er Katzen. Vielleicht hat er eine Schwäche für Süßigkeiten.


Beispiel: Eron Kahragon


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Ich habe Eron immer irgendwie als Bösewicht betrachtet, aber mir Mühe gegeben, ihn nicht so zu schreiben. Eron hat keine tragische Vergangenheit. Er stammt aus einer normalen, bürgerlichen Familie und hat einen Zwillingsbruder. Aber mit diesen normalen, bürgerlichen Verhältnissen konnte Eron nie etwas anfangen. Er hat ein wenig ausgeprägtes Empathievermögen und andere Menschen interessieren ihn nur so weit, wie sie ihm nützen. Ihre Probleme kann er normalerweise nicht nachvollziehen oder findet sie albern. Er selbst ist ein ewig Suchender, der nicht weiß, wohin er im Leben will – aber gleichzeitig überzeugt ist, dass er aufgrund seiner Andersartigkeit zu Großem berufen ist.


Als Herrscher hat er den Ruf eines Tyrannen, obwohl er sein Volk nicht absichtlich unterdrückt. Im Gegenteil: Er versucht durchaus, sein Reich voranzubringen. Nur setzt er dabei eben andere Prioriäten, als es die meisten Menschen tun würden. Fortschritt ist ihm wichtiger als das Wohlergehen der Leute. Stärke möchte er fördern und Schwäche ausmerzen. Er tritt dominant auf, sabotiert sich dabei durch Tolpatschigkeit aber regelmäßig selbst. Überhaupt: Sein Selbstbild weicht stark davon ab, wie sein Umfeld ihn wahrnimmt. Und genau diese Diskrepanz macht oftmals eine gewisse Komik aus, die man in seinen Kapiteln findet. Wahrscheinlich ist Eron Kahragon auch deswegen die Figur, auf die ich am häufigsten angesprochen werde.


Wenn euch das Buch interessiert, bekommt ihr es übrigens hier oder überall im Buchhandel: https://www.amazon.de/Das-Licht-aus-dem-Nebel/dp/396733418X.


Beispiel: Das Einhorn


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Und auch wenn man im ersten Moment vielleicht nicht daran denkt: Auch mein Einhorn aus "Schnittergarn", "Göttergarn" und "Teufelsgarn" ist ein Schurke! Es ist verwirrt, tollpatschig, naiv und redet putzig. Deswegen übersieht man leicht, dass seine Taten meistens fragwürdig sind. Dem Einhorn selbst dürfte das nicht bewusst sein. Und ebenso wie es versehentlich Böses tut, tut es manchmal aus Versehen auch etwas Gutes.


Abgesehen davon: Eine Anthologie über den Teufel ist vielleicht das beste Beispiel dafür, wie man einen Bösewicht sympathisch schreiben kann.


Auch dieses Buch bekommt ihr beim Verlag oder überall im Buchhandel: https://leserattenverlag.de/shop/Anthologien/TEUFELSGARN::54.html.


Und wer nun Geschmack am Bösen gefunden hat, findet hier meine Überlegungen dazu, wie man in Romanen mit unmoralisch handelnden Figuren umgehen kann: https://www.kornelia-schmid.de/post/was-sagt-ein-text-aus-oder-wie-geht-man-mit-unmoralischen-figuren-um.

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