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Wenn Ziegen durch den Weltraum fliegen – Humorvoll schreiben

  • Autorenbild: Kornelia Schmid
    Kornelia Schmid
  • 9. Juli 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Wie witzig ist ein Text? Wenn es um Humor geht, gehen die Meinungen auseinander. Mit somanchem Schenkelklopfer können die einen nichts anfangen, während die anderen Wortwitze flach und wieder andere Ironie öde finden. Es gibt wahrscheinlich keinen Text, der wirklich jeden zum Lachen bringen kann. Aber das muss auch gar nicht der Anspruch einer Autor:in sein. Und trotz aller Kontroversen gibt es ein paar Tricks.


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Worüber lache ich? Diese Frage sollte man sich stellen, bevor man sich an einer lustigen Geschichte versucht. Denn zu verstehen, wie Witz entsteht, ist die Voraussetzung, um ihn zu Papier zu bringen.


Aber nun wird es schwierig: Diese Frage lässt zwar für sich selbst, aber nicht allgemeingültig beantworten. Verschiedene Personen lachen in verschiedenen Kontexten über verschiedene Dinge. Und so kann jede Autor:in beim Schreiben nur von ihren persönlichen humoristischen Vorlieben ausgehen. Aber das ist in Ordnung – wer würde schon eine Geschichte schreiben wollen, die man nicht selbst witzig findet?


Insofern kann ich nur meine Tricks verraten, ohne dabei den Anspruch zu haben, dass sie für jede Person auch funktionieren. Und so flachwitzig eine Geschichte am Ende auch wirken mag – Humor ist eine anspruchsvolle Disziplin. Wer es schafft, einen Text zu schreiben, über den gelacht wird, hat etwas geschafft, was vielen nicht gelingt.


Erwartungen brechen


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Haben wir bestimmte Erwartungen an eine Situation, aber es kommt dann doch ganz anders, kann das nicht nur für Überraschung, sondern auch Komik sorgen. Sich die Erwartungen der Leser:innen bewusst zu machen und diese dann gezielt zu brechen, kann ein Mittel sein, humorvoll zu schreiben. Erwartungen bedeutet dabei oft auch kulturelles Wissen: Welche Dinge waren schon immer so? Und müssen sie das auch weiterhin sein?


Dazu ein Beispiel: Einhörner sind wirklich liebliche Wesen, oder? Sie sind der Inbegriff von Freundlichkeit, Niedlichkeit und Glitzer. In meiner Geschichte "Findet Banshee" aus der Anthologie "SCHNITTERGARN" spielt ein Einhorn eine entscheidende Rolle. Dass es hier aber nicht so sehr um Niedlichkeit geht, verrät bereits die Illustration auf dem Cover. Und tatsächlich: Auch wenn mein Einhorn putzig auftritt, werden Leser:innen der Geschichte bald merken, dass es das scheinbar naive Geschöpf faustdick hinter den Ohren hat.


Mit Konventionen spielen


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Koventionen sind eine spezielle Form einer bestimmten Erwartungshaltung. Und sie bieten sich als Basis für humorvolle Texte besonders an, denn viele Konventionen wirken bei genauerem Nachdenken leer bis absurd und erlegen den Menschen ungesunde Zwänge auf. Diese Muster sichtbar zu machen und zu überzeichnen oder eben eine gezielte Verweigerung darzustellen, kann komisch wirken.


Im Großen und Ganzen würde ich meinen Debütroman "Das Licht aus dem Nebel" eher als düster bezeichnen. Aber ja, dazwischen ist er auch witzig. Und zwar wenn exzentrische Figuren aufeinandertreffen und sich nicht so recht an die Konventionen des höflichen Umgangs miteinander halten wollen. Sie sagen eben nicht das, was man sagen müsste, sondern stoßen einander vor den Kopf. Es gibt dadurch eine Reihe von lustigen Dialogen im Text:


„Hier wären wir.“ Er öffnete eine Tür.

Zögerlich spähte Skarta hinein. Die Leere des Raumes war erschlagend. Kein Bett. Nicht einmal eine Matte. „Das kann nicht Euer Ernst sein“, murmelte sie.

Kahragon grinste. „Gefällt’s dir nicht?“

„Und wenn ich ...“, Skarta senkte die Stimme, „mal muss?“

Er zuckte mit den Schultern. „Dann suchst du dir die Ecke aus, die dir am besten dafür geeignet erscheint.“


„Ich wollte jetzt nicht unhöflich sein“, sagte Rekro lahm.

„Sonst schon?“ Manar blinzelte. „Nur Spaß, Rekro. Du bist immer unhöflich.“


Der Fremde blieb direkt vor der Brücke stehen. „Irgendwie kommst du mir bekannt vor.“

Sveno hüstelte und strich sich mit dem Handrücken die Erdflecken von der Haut. „Hör mal, das hier ist alles, aber kein Allerweltsgesicht.“


Bekanntes in einen neuen Kontext stellen


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Im Grunde haben wir es auch bei diesem Tipp nur mit einer Sonderform des Brechens von Erwartungen zu tun. Diesmal wird aber nicht die Sache an sich (also das kulturelle Wissen oder die Konvention) verändert, sondern ihr Umfeld.


In meiner Geschichte "Ziege voraus" aus der Anthologie "Vikings of the Galaxy" beziehe ich mich direkt auf die "Edda" des Snorri Sturluson. Tatsächlich schreibe ich eine bestimmte Textstelle quasi ab – zumindest in Teilen. Aber es gibt eben doch ein paar Änderungen. Ich bastle in diese Geschichte aus der nordischen Mythologie moderne Technik und stelle damit einen neuen Zusammenhang her (der obendrein noch recht absurd ist). Und das sieht dann folgendermaßen aus:


Thor besitzt zwei Böcke, die Tanngnjostr und Tanngrisnir heißen, und ein Raumschiff, mit dem er ausfährt. Die Böcke sind der Motor dieses Schiffes und ihre Spucke heißt Schnelligkeit. Tanngnjostr ist der Zähneknisterer. Mit seinem Mund zerbeißt er die Schallmauer. Tanngrisnir ist der Zähneknirscher. In seinem Mund zermahlt er Hindernisse im All. Aber wenn Thors Schiff dennoch zu langsam wird, nimmt er seine Böcke und schlachtet beide. Dann häutet er sie und schiebt sie in die Mikrowelle. Dort dampft ihr Blut und wenn sie dann fertig gekocht sind, füllt Thor die Überreste in den Tank. Dann ist sein Schiff so schnell, dass die Zeit rückwärts fließt. Und wenn der Donnergott an seinem Ziel ankommt, sind seine Böcke wieder lebendig und gesund.


Dass der Wagen des nordischen Gottes von zwei Ziegen gezogen wird und er diese einfach nach Lust und Laune häuten und essen kann und sie dennoch wieder auferstehen (denn das steht im Original!), war der Aufhänger für die ganze Geschichte. Nur wurde aus dem Wagen natürlich ein Raumschiff und aus dem Kessel, in dem sie gekocht werden, eine Mikrowelle.


Anspielungen platzieren


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Menschen erfreuen sich an Wiedererkennung. Sie suchen in Texten, Filmen oder Games nach Easter Eggs und werden heiter, wenn sie welche finden – selbst wenn diese für sich genommen überhaupt nicht komisch sind. Sicherlich spielt auch hier eine Rolle, dass Erwartungen gebrochen und Bekanntes in einem neuen Kontext gezeigt wird. Diesen Mechanismus kann man sich als Autor:in jedenfalls leicht zu Nutze machen.


In der Anthologie "SCHNITTERGARN", spricht in Anlehnung an Terry Pratchetts Gevatter Tod in Großbuchsstaben. In der Anthologie zum 10-jährigen Jubiläum des Verlages ist auch eine Geschichte von mir enthalten, in der in einer Dialogzeile in Großbuchstaben gesprochen wird. Langjährige Fans des Verlages werden die Anspielung sicherlich erkennen und schmunzeln. Es ist ja eigentlich sogar eine doppelte Anspielung: auf Pratchetts Tod und auf "SCHNITTERGARN". Und dabei ist es auch total in Ordnung, dass derartige Anspielungen immer nur bei einem eingeweihten Publikum funktionieren – es muss nicht jeder über alles lachen können. Aber natürlich schadet es nicht, wenn man unterschiedliche Register bedient, sodass idealerweise für jeden was dabei ist.


Ironisch werden


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Auch (Selbst-)Ironie kann für den ein oder anderen Lacher sorgen. Denn auch ein ironischer Kommentar ist oft nicht das, was in bestimmten Situationen erwartet wird. Die erwartbare Bewertung wird vielmehr ausgehebelt.


Für Ironie sind meine Figuren in "Das Licht aus dem Nebel", "Das Licht im Sand" und "Das Licht hinter dem Wind" definitiv zu haben. So kommentiert hier beispielsweise eine Fürstin das Verhalten ihrs Kaisers:


Rako lächelte. „Diesen Kerl trete ich in den Boden.“

Varla verzog das Gesicht. „Und ich hatte schon geglaubt, Euer Charme wäre Euch verloren gegangen.“


Skurrile Situationen erzeugen


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Wir erwarten (ja, ich wiederhole mich), dass bestimmte Dinge zusammenpassen. Wenn sie das nicht tut, wirkt es oftmals komisch. Manchmal ist es genau eine solche Zusammenstellung von Absurditäten, die uns amüsiert.


In meiner Geschichte "Fini vom Todesmoor" steckt ein Troll im Morast mit einem hungrigen Irrlicht fest und unterhält sich mit diesem. Die ganze Geschichte dreht sich nur darum, dass das Irrlicht versucht, ihn umzubringen und aufzuessen, dabei aber Probleme hat, durch die feste Trollhaut zu kommen. Der Troll wiederum scheint nicht so recht zu begreifen, was das Irrlicht da eigentlich vorhat. Skurril? Ich finde schon:


Fini befeuchtete ihre Lippen. Ihr Magen grollte erneut. Wenn das kein Zeichen war. Also riss sie den Mund auf und rammte ihre spitzen Zähne in Bogmos Hals.

Wellen aus Schmerz schossen durch ihren Mund. Fini jaulte auf und ließ sich zurück in den Schlamm plumpsen. Es fühlte sich an, als hätte sie auf Fels gebissen. Verdammter Steintroll!

Als sie wieder auftauchte, kicherte Bogmo. »Ich bin so kitzlig«, sagte er. »Das finden alle!« 


Dramatik und Klischees


Das, was es in einem ernstgemeinten Text tunlichst zu vermeiden gilt, drängt sich hier förmlich auf: Übertreibt! Seid dramatisch! Schießt mit Klischees um euch! Denn das ist für sich genommen immer ein wenig albern. Bei rühseligen oder düsteren Texten wollen wir genau diese Albernheit vermeiden. Bei humorvollen Texten kann sie uns nützen.


In meiner Geschichte "Die Einhorn-Therapie" aus "10 Jahre Leseratten Verlag" ist das Einhorn beispielsweise zu einer seriösen Businessperson geworden, die genau weiß, wovon sie spricht. Oder auch nicht? Überzeugt euch selbst:


"Ich arbeite im Kälämiti Mänätschment in der Hölle. Das ist wirklich ein schlechtes Büssness." Das Einhorn schnaubte. "Ich hatte ein super Onbohar-Ding. Die Strukturen sind alle total liehn. Und in der Kantine gibt es vielleicht ein Fuhd Enschiniering, das sag ich Ihnen. Davon poste ich immer Bilderchen auf Soschi Mieda. Folgen Sie mir auf LinkedivInE."


Wortwitze verwenden


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Zum Schluss noch ein weiterer Trick: ein einzelnes Wort anders verwenden, als man es erwartet, es abwandeln, es in einen falschen Kontext stellen. Das funktioniert genauso wie bei ganzen Szenen oder Dialogzeilen.


Eine Waffe namens "KLA-4" suchen die Aliens in der gleichnamigen Geschichte aus der Anthologie "Das Alien tanzt Walzer". Der Name der Waffe ist zunächst eine Abfolge von Großbuchstaben und Zahlen – also genau die Art und Weise, wie neuentwickelte Maschinen, insbesondere Waffen, gerne bezeichnet werden. Wer das Wort laut liest, wird allerdings bemerken, dass es genauso klingt wie die Bezeichnung eines gewissen Tasteninstruments. Und ebenjenes wird in meiner Kurzgeschichte auch beschafft. Walzer eben.


Das Nicht-Gesagte zählt


Meine gesammelten Tipps in diesem Artikel laufen im Grunde immer aufs selbe hinaus: Eine bestimmte Erwartung wird variiert, verzerrt, gebrochen. Die Komik dabei entsteht aber weniger durch das Gesagte als vielmehr durch das Nicht-Gesagte: Nur, wenn es einen Interpretationsspielraum gibt, der bestimmte Assoziationen ermöglicht, ist es auch lustig. Denn einen Witz penibel zu erklären, hat bekanntermaßen noch nie funktioniert. Er muss ohne Erklärung auskommen – die Rezipient:innen mussen bestimmten Verknüpfungen selbst herstellen, denn nur dann kommt es auch zu einem Aha-Effekt und bestenfalls einem Lachen. Langatmige Ausschweifungen sind dabei ohnehin fehl am Platz – Präzision ist gefragt. Humorvoll schreiben bedeutet deshalb auch: Mut zur Lücke.



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