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Sich drehende Zahnräder? – Technologien in High-Fantasy-Romanen

  • Autorenbild: Kornelia Schmid
    Kornelia Schmid
  • 15. Jan.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. März

Zahnräder verbindet man eher mit Steampunk-Romanen als mit High Fantasy. Doch auch in diesem Genre gibt es Weltentwürfe, die sich vom Mittelalter wegbewegen und Technologie und Magie verbinden. Hier zeige ich, wie technologischer Fortschritt und High Fantasy harmonieren können.


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Technologie kommt vor – aber ist sie deswegen auch wichtig? Das kommt darauf an. Manchmal ist die Antwort auch schlichtweg nein. Je nachdem, welchen Ansatz ein Roman verfolgt, kann Technologie nur dekoratives Element sein, etwas über die Welt verraten oder fester Bestandteil der Konzeption sein.


Spätere Epochen als Setting


Viele Weltentwürfe in High Fantasy Romanen orientieren sich am europäischen Mittelalter. Manche nehmen jedoch bewusst eine spätere Epoche in den Fokus. Die Technologie gehört dann zum Setting insoweit, wie sie die jeweilige Epoche repräsentiert. Das heißt: Ein Roman, der sich ans 19. Jahrhundert anlehnt, wird ohne bestimmte Entwicklungen nicht auskommen.


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Brian McClellan hat sich bei seinen "Powder-Mage-Chroniken" offenbar von der französischen Revolution und ihren Folgen inspirieren lassen. Entsprechend kann man die Bücher in einer Zeit verorten, die an das späte 18. oder frühe 19. Jahrhundert erinnert. Dazu gehört auch Schießpulver. Mit Schießpulver wird in den Romanen aber nicht nur eine fortschrittlichere Technologie behandelt, sondern es wird Teil des Magiesystems. Denn bestimmte begabte Menschen können mit Hilfe von Schießpulver ihre Wahrnehmung schärfen oder es durch reine Geisteskraft explodieren lassen. Obwohl es also Pistolen gibt, erfüllt Magie immer noch eine Funktion (und ist durch Technologien nicht zu ersetzen).


Dass in dem Roman fortschrittlichere Technologien vorkommen, ist sicherlich in erster Linie durch die historische Vorlage begründet. Die Herausforderung für den Autor dürfte dabei gewesen sein, sie sinnvoll in seine High Fantasy Welt zu integrieren. Die "Pulvermagie" ist in dem Setting mit neuen Technologien zu vergleichen: Auch sie ist eine erst kürzlich entdeckte, neue Magieform, die der alten Elementarmagie gegenübersteht.


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Robert Jackson Bennetts "Die Stadt der tausend Treppen" kann man wohl im späteren 19., vielleicht sogar im frühen 20. Jahrhundert verorten (und allein das macht das Setting schon ungewöhnlich). Hier gibt es Telegramme, Züge und Autos. Magie existiert zusätzlich, als etwas, das von den Göttern bewirkt wird. Diese Götter sind jedoch entweder tot oder verschwunden. Damit ist Magie (im Gegensatz zu Brian McClellans Entwurf) etwas höcht Geheimnisvolles, das aus der modernen Welt weitgehend verdrängt bzw. sogar verboten wurde. Hier erzeugen Magie und Technologie also einen Kontrast zueinander. Das ist auch für den Plot relevant: Um die Aufdeckung der geheimnisvollen magischen Ereignisse geht es im Roman.


Das moderne Setting mit seinen technologischen Errungenschaften dient hier also dazu, die magischen Vorkommnisse stärker abzusetzen. In einer Mittelalterwelt, in der ohnehin Aberglaube dominiert und viele Naturgesetze noch nicht verstanden, viele Mechaniken noch nicht erfunden sind, wäre Magie nur halb so mysteriös.


Auch "Jade City" von Fonda Lee setzt spät an, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In gewisser Weise musste das auch so sein. Das Buch wird als "Mafia-Fantasy" beworben und dreht sich um einen Familienclan, der in einer Stadt mit anderen Clans um die Vorherrschaft kämpft. In der Tat, ein bisschen Mafia. Und die Mafia-Thematik ist am ehesten mit dem 20. Jahrhundert assoziiert. Es gibt natürlich Schusswaffen – aber die gab es auch schon in früheren Zeiten. Es existiert jedoch auch Industrie und beiläufig erfahren wir vom Fernsehen.


Tatsächlich spielt aber keine der Technologien eine tragende Rolle, denn die Magie in "Jade City" stammt aus Jade und macht Menschen mit der richtigen Veranlagung besonders stark und schnell und damit zu herausragenden Kämpfern. Das ginge genauso mit Schwertern und Armbrüsten. Und auch der Abbau der Jade könnte genauso mit einfacheren Mitteln erfolgen. Nichtsdestotrotz: Ließe sich die Geschichte denn tatsächlich in einer anderen Epoche erzählen? Die vorhandene Globalisierung ist durchaus relevant und, noch wichtiger, lebt dieser langsam erzählte Roman sehr von seiner Atmosphäre und seinem Worldbuilding. Technologie ist hier also Schmuck. Sie ist für die Stimmung da, für die Handlung ist sie kaum relevant.


Die Fortentwicklung einer Welt


Manche High Fantasy Romane zeigen auch erst nach und nach, wie Technologie in die beschriebene Welt kommt. Meistens handelt es sich um Mehrbänder und zwischen den einzelnen Teilen hat sich die Welt fortentwickelt. Um das glaubhaft zu machen, sind auch neue Technologien entstanden.


Es gibt Fantasywelten ohne Fortschritt: In Narnia beispielsweise vergehen zwar über tausend Jahre, bis die Protagonist:innen ein zweites Mal in die Welt reisen. Und Landschaft und Gesellschaft sind tatsächlich auch verändert, Technologie hat jedoch keinen Einzug in die Welt gefunden. Narnia bleibt statisch – vielleicht auch deswegen, weil Narnia eigentlich eine Metapher ist. Diese Welt kann nur von Kindern betreten werden und sobald sie erwachsen sind, verschließt sich auch die Magie vor ihnen. Die Protagonist:innen müssen sich verändern – die Fantasywelt muss das nicht.


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Anders sieht das aus bei Brandon Sandersons "Nebelgeborenen-Reihe". Die ersten drei Bände spielen in einer Epoche ähnlich der Frühen Neuzeit. Anschließend vergehen in der fiktiven Welt dreihundert Jahre. In der Folgetrilogie, die mit "Hüter des Gesetzes" startet, hat sich die Welt dann auch tatsächlich stark verändert. Wir befinden uns nun in einem Setting, das an das 19. Jahrhundert angelehnt ist. Interessanterweise hat sich auch das Magiesystem weiterentwickelt: Dieses fußt darauf, dass Menschen durch die Aufnahme bestimmter Metalle bestimmte Magie wirken können. In den drei Jahrhunderten wurden bislang unbekannte Metalle bzw. Legierungen entdeckt, sodass nun auch neue Magieformen möglich sind.


Technologie dient hier also dazu zu unterstreichen, dass die Welt eben nicht statisch ist. Selbst Magie ist dem Fortschritt unterworfen und entwickelt sich weiter. Magie und Forschung widersprechen sich hier also nicht, denn der Magie in der Nebelgeborenen-Welt haftet nichts Geheimnisvolles an. Vielmehr ist sie logisch und sinnvoll beschränkt.


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Auch Bernhard Hennens "Elfen-Romane" erzählen von der Entwicklung einer Welt bzw. mehrerer Welten. Weil Elfen eine nahezu unbegrenzte Lebensspanne haben (selbst wenn sie sterben, werden sie wiedergeboren und können sich manchmal auch an ihr vorheriges Leben erinnern), bleibt die Elfenwelt statisch. Denn die unsterblichen Wesen sind nicht an Fortschritt interessiert: Für sie läuft die Zeit ohne das Wissen eines nahenden Todes langsamer und sie besinnen sich auf Bekanntes. Anders sieht das in der Menschenwelt aus, die von schnelllebigeren Wesen bevölkert ist. Während die Menschenwelt bei den Bänden "Elfenwinter", "Elfenlicht" und "Elfenkönigin" noch im frühen Mittelalter steckt, hat sie sich bei den "Elfenritter-Büchern" auf dem Zeitstrahl voranbewegt. Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich verändert: Ein religiöser Ritterorden ringt um die Macht. Und auch das Schießpulver wurde entdeckt.


Die einziehende Technologie steht damit für den Kontrast zwischen der Lebensweise der Elfen und der Menschen. Die Elfenwelt hat Magie und braucht deshalb keine Technologie. Denn das Volk, das sich tatsächlich mit Technologien befasst hat (beispielsweise – das erfahren wir in "Drachenelfen" und "Schattenelfen" –, indem es U-Boote erfunden und verbessert hat), hat die Welt längst verlassen.


Technik oder Magie?


Egal, ob zum Setting gehörend oder ob bewusst als Stilmittel platziert: Technologie ist in High Fantasy Büchern natürlich nicht automatisch gleich der Technologie in unserer Welt. Magie und Technik verschmelzen mitunter bzw. vielleicht entsteht bestimmte Technik auch erst durch Magie? Oder anders gesagt: Ist es immer Wasserdampf, der in einer High Fantasy Welt die Zahnräder antreibt oder nicht vielleicht doch etwas anderes?


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Zwischen den Bänden meiner Trilogie "Herrscher des Lichts" liegen jeweils einige Jahre. In dieser Zeit hat sich auch die Welt verändert: Neue Technologien sind hinzugekommen. Generell gibt es in der Welt Wissenschaft und Forschung und dadurch auch Technologien. Diese werden jedoch in der Regel von Magie angetrieben – Elektrizität ist womöglich entdeckt, aber bisher nicht relevant und deshalb auch nicht weiter erforscht. Was tatsächlich genutzt wird, ist Schießpulver in Verbindung mit Magie.

Die Technologien werden bisher vor allem im militärischen Bereich eingesetzt. Wenn es in "Das Licht im Sand" also Kanonen gibt, so entsprechen diese nicht den Kanonen unserer Welt. Anstelle einer Zündschnur werden Zauber eingesetzt, um die Geschosse zu zünden.


In Romanen, in denen Magie nicht geheimnisvoll ist, birgt sie also auch das Potenzial, neue Technologien zu erschaffen, die in unserer Welt in dieser Form nicht denkbar sind.



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